Donnerstag, 19. Juni 2008

Die Herrscher der Grillzange

Grad mal fünf Minuten hatte ich Zeit um den kulturwissenschaftlichen Blick auf die Männer am Grill darzulegen. Für alle, die es genauer wissen wollen, hier etwas ausführlicher.
Die wenigen wissenschaftliche Texte zum Grillverhalten der Geschlechter schreiben die gleichen Klischees voneinander ab. Der einzige, der versucht hat zu erklären, was denn eigentlich am häuslichen Grill abgeht, ist Tolksdorf. 1973 hat er den Text: Grill und grillen geschrieben. Von einem Projekt Grillen und Lebensstil an der Uni Freiburg (D) weiss ich nur aus zweiter Hand. Tolksdorf und Das kulinarische Dreieck des Ethnologen/Kulturanthropologen Lévi-Strauss habe ich hier ebenfalls zu meinem Erklärungsversuch beigezogen.
Für Tolksdorf ist eine Mahlzeit ein Symbolsystem. Das heisst, an welchem Ort zubereitet oder gegessen wird, welche Speisen von wem verzehrt werden, wer zur Gruppe der Speisenden gehört, hat symbolischen Wert - auch was die Beziehung der Geschlechter angeht.
Wir schätzen die Mahlzeit anders ein ob wir am Küchentisch essen oder an einer Hochzeitstafel, ob wir ein Birchermuesli oder eine Symphonie von der Bio-Gänseleber mit Chili, Litschi und Süßholz aromatisiert verspeisen, ob es ein Dinner zu zweit oder ein Arbeitsessen ist.
Grillieren ist auch eine Mahlzeitensituation, ein Bedeutungssystem.
1. Der Ort des Grillierens ist die Natur, mit dem Naturelement Feuer, im einfachsten Fall nur mit einem Holzstecken.
Das Kochen hingegen braucht Kultur, etwas vom Menschen Geschaffenes, die Küche, einen Herd, einen Topf.
Die Natur ist traditionellerweise dem Mann zugeordnet, die Kultur der Frau.
2. Das Grillen ist eine bewusst öffentliche Angelegenheit, mitten unter den Leuten die zum Essen gekommen sind. Diese können zuschauen, kommentieren, können die Geschicklichkeit des Grillchefs bewundern und ihn mit Bier versorgen.
Die Öffentlichkeit ist die prestigeträchtigere Sphäre, sie ist dem Mann zugeordnet – „in der Küche waltet die züchtige Hausfrau“.
3. Grillieren ist zwanglose Geselligkeit. Die Manieren gelten hier weniger. Man kann aus der Hand essen, bedient sich selbst, es gibt keine Sitzordnung.
Gute Manieren sind eine kulturelle Errungenschaft und damit Frauendomäne: „Willst Du wissen was sich ziemt, frag nur bei edlen Frauen an.“ Wo es rauer zu und her geht, im Militär, bei den Pfadfindern, den Trappern und Cowboys, dort ist Männerland und Lagerfeuerromantik.
4. Beim Grillieren geht es um Fleisch, um grosse Fleischstücke. Fleisch war immer ein teures Nahrungsmittel, das traditionellerweise den Männern (die ja hart arbeiten müssen) zusteht. Für die Frauen gibt es Salat.
5. Grillieren ist eine Zubereitungsmethode, die „verschwenderisch“ ist, der Fleischsaft tropft heraus, das Fleisch verbrennt zum Teil. Es ist eine Methode, die den in der Hierarchie oben stehenden zukommt.
In Kulturen, die sparen müssen, wird das wertvolle Fleisch gesotten, damit alle Säfte erhalten bleiben. Grillieren ist aristokratische Verschwendung sagt der Ethnologe Claude Levi Strauss, während Kochen plebeiische Sparsamkeit dokumentiert.
NB: Ganz eindeutig ist Grillieren eine männliche Betätigung, nur Männern kann es einfallen, Grillmeisterschaften zu veranstalten und Grillrekorden nachzujagen.
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