Sonntagmorgen in der Stadt


In der NZZ am Sonntag von heute ist ein lesenswertes Interview mit Peter von Matt über patriotische Wallungen im Dunstkreis der Fussball WM.
Der bekannte Schweizer Literaturwissenschafter und emeritierte Germanistik-Professor analysiert die geistigen Traditionen dieses patriotischen Phänomens und sein Potential in der Integration von Einwanderern. Er stellt (kontrollierten) Chauvinimus einer sauertöpfischen Selbstbeschimpfung gegenüber und rückt die Tatsache, dass "die deutsche Nationalmannschaft in der Schweiz kaum Freunde hat", ins rechte Licht : "Die Schweizer gegen die Deutschen - dieses Problem wird überschätzt. Es beruht auf bekannten und ziemlich harmlosen psychologischen Nachbarschafts-Mechanismen. Wie zwischen Basel und Zürich oder den Innerrhödlern und den Ausserrhödlern."
Zur gewalttätigen Seite des Sports meint von Matt: "Fussball ist ein zum Spiel sublimierter Kampf und damit jederzeit in Gefahr, in die Schlägerei zurückzukippen. Das macht heute für viele Fans sogar den heimnlichen Kick aus. Man darf aber nicht vergessen, dass Gruppenschlägereien zur männlichen Adoleszenz gehören. Nur laut sagen darf man es nicht." Warum nicht? "Weil das die einfachen Deutungen erschwert und die moralischen Bewertungen durcheinanderbringt." Man kultiviere in der Öffentlichkeit lieber "eine blauäugige Kindermoral, die alles sofort in Gut und Böse trennt und möglichst wenig nachdenken will darüber."
waltraut - Sonntag, 25. Juni 2006, 08:08